32. Freitag mittag

Amely Day

31. März

Heute ist endlich wieder Bandprobe mit Amely Day. Während ich die Kopfplatte des Notenständers so justiere, dass die Kamera meines iPhones uns alle erfassen kann, wird mir bewusst, dass wir heute erst unsere vierte Probe haben und wir bereits an den Guide-Tracks zu den Stücken 11 und 12 arbeiten. Ich hätte mir das in meiner Phantasie nicht schöner ausdenken können.

„Bevor wir anfangen möchte ich euch etwas wichtiges erzählen. Ihr wisst, dass ich seit über einem halben Jahr aufgrund gesundheitlicher Probleme zu Hause bin. Da es mit meinen Schlafstörungen, Fressattacken, dem Weinen und Panikattacken nicht besser wird, habe ich mich für eine Reha-Maßnahme entschieden. Den Antrag dazu habe ich erst vor ein paar Wochen abgeschickt und letzte Woche kam bereits die Bestätigung, dass es in zwei Wochen losgeht.
„Das ging aber schnell.“
„Ich war auch erst total verwundert, bis ich mir den Termin näher angesehen habe. Er liegt direkt vor dem Osterwochenende.“
„Da kann man doch was machen und den Termin verschieben. So über Ostern ist das doch nicht wirklich schön.“
„Ich weiß. Aber meine Gesundheit ist mir wichtiger und daher werde ich eben Ostern fern der Heimat verbringen.“
„Wie lange geht die Reha?“
„Fünf Wochen.“
„Da hast du ja eine Menge Zeit um neue Songs zu schreiben!“

Kollektives Gelächter und ich spüre eine herrlich angenehme Leichtigkeit im Raum die mich gefangen nimmt.

Amely Day

„Zwei neue Songs habe ich heute schon dabei. Sie sind ein wenig tricky. Am besten ich spiele euch den Ersten einmal vor.“

Ich fange mit dem Song Gegen den Strom an. Wie gewohnt steigen die Beiden bereits nach der ersten Strophe wieder mit ein. Merken aber schnell was ich mit „tricky“ meinte, denn dieses Stück hat eine richtige Bridge, die sich auch noch zwischen den Strophen und vor dem Refrain unterscheidet. Ich grinse als ich merke, dass sie auch im zweiten Durchlauf mit den unterschiedlichen Spielvarianten in der Bridge noch zu kämpfen haben.

„Nochmal durchspielen oder aufnehmen?“
„Können wir aufnehmen“ sagt Martinello.

Was für eine Frage. Und natürlich läuft der Song super durch. Und natürlich ist das Solo von Martin wieder so wie für das Stück geschrieben. Wir machen trotzdem noch eine Aufnahme.

Amely Day

Mit dem Song Jemand der dir wichtig ist kommt die größte Herausforderung. Ich spiele ihnen zunächst den zweiten Teil vom Refrain vor, dann den Hauptteil und beginne anschließend erst mit dem Song weil ich weiß, dass die Zwei sonst gleich wieder nach der ersten Strophe mit eingestiegen wären.

Meine Überlegung war gut. Wir kommen bis zum Refrain und im Anschluß wäre ein kleines Soli schön gewesen. Aber nichts passierte. Statt dessen fallen wir zum allerersten Mal rhythmisch auseinander und hören auf zu spielen. Ich zähle kurzerhand wieder ein und sofort geht es weiter.
„Gar kein Solo von dir?“
„Hättest du gerne eines gehabt?“
„Ääh, ja, doch schon.“
„Das Stück ist rhythmisch so vielschichtig, da passt eigentlich gar kein Solo dazu. Lass es uns noch einmal spielen damit wir die Abläufe sauber hinbekommen.“
„OK“

Bei der zweiten Aufnahme verhasple ich mich beim Text und fülle die Gesangszeile mit bröm böm böm auf um nicht komplett rauszufallen. Erst nach der dritten Aufnahme sind wir mit dem Ergebnis zufrieden.

Amely Day

„Nächste Woche am Dienstag kommt Christos bei mir vorbei. Ich habe ihm von deinen Songs erzählt und er würde dazu Cajon spielen wollen. Wie sieht es da bei euch zeitlich aus?“ fragt uns Martinello.

Ich bekomme leuchtende Augen. Christos habe ich letztes Jahr an Martinellos Geburtstagsfeier life beim performen erlebt und hatte ihn seither auf meiner Rhythmiker-Wunschliste.
„Dienstag geht bei mir“ sagt Martin. „Ab wann wäre das?“
„Christos kommt am Nachmittag wegen noch einer anderen Sache. Vielleicht so ab 17.00 Uhr?“
„Das ist ok. Das geht bei mir auch.“ sage ich und bin happy.