31. Freitag morgen

Gartentor

31. März

Das Arbeiten an meinen Songs und das Schreiben im Allgemeinen ist für mich eine enorm befriedigende Tätigkeit geworden, für die ich jeden Tag Zeit finde, ohne an feste Arbeitstage und Arbeitszeiten gebunden zu sein. Dank meines iPhones weiss ich, dass heute Freitag ist. Und Dank meiner Kalender-App weiß ich, was ich in dieser Woche von meiner neu angelegten To-Do-Liste geschafft habe bzw. noch machen muss.

So war das lange Zeit auch in meinem Job. Das ging so lange gut, bis ich meine persönlichen Bedürfnisse komplett aus den Augen verloren und die Grenzen der persönlichen Belastbarkeit überschritten habe. Und weil ich keinen Unterschied mehr zwischen Wochentagen und Wochenende empfunden habe, ist meine Kalender-App in die ich alle To-Do’s eintrage wieder total wichtig für mich geworden.

Blumenwiese

Montag

Am Montag Abend war Bandprobe bei Pearlgarden. Nachdem ich allen erzählt habe, dass ich in zwei Wochen zur Reha fahre, war doch tatsächlich eine große Betroffenheit darüber, dass man jetzt wochenlang nicht mehr proben könne. Also nicht nur gemeinsam mit mir nicht mehr, sondern ganz und gar nicht. Denn nur ich kann die Band durch die Stücke führen, wenn die Sängerin ihren Einsatz verpasst, der Bassist nicht mehr weiß wann die Akkordwechsel kommen und der Gitarrist mein Zeichen benötigt um ein Solo zu spielen!

Ich wollte diesen Bullshit einfach nicht glauben. Das war mir zu viel Verantwortung. Oder vielleicht auch nur zu wenig Engagement der anderen Musiker. Da stand ich mit einem Schlagzeuger, einem Bassisten, einem Gitarristen und einer Sängerin in einem Raum und fühlte mich nicht mehr wohl. Vielleicht sollte ich die Band nach der Reha verlassen.

Kirschblüten

Dienstag

Am Dienstag habe ich mir zum ersten Mal die Unterlagen für meine Reha angesehen und mir Gedanken darüber gemacht was ich mitnehmen muss. Ich dachte, um fünf Wochen dort zurecht zu kommen, nehme ich am Besten den kompletten Inhalt meines Kleiderschranks, ausgenommen meiner Business-Klamotten und den Winterpullis mit. Alle Bad-Utensilien, Berge von Büchern, mein Laptop und meine Gitarre. Das sollte reichen.

Anschließend habe ich im Internet nach einer Seite mit Kommentaren zur Klinik gesucht. Das Feedback war überwiegend positiv. Genörgelt wurde lediglich über das Essen und die Laufwege. Tja, Bewegung und Reha sind nicht für jedermann selbstverständlich und dass sich in fünf Wochen das eine oder andere Gericht ein zweites Mal auf der Karte findet ist für manche Menschen unverzeihlich. Was soll man dazu sagen.

Tulpen

Mittwoch

Am Mittwoch saß ich zu Hause fest. Mein Auto hatte ich um 8.00 Uhr zur fälligen Inspektion im Autohaus abgegeben und wurde mit dem Shuttle-Service nach Hause gefahren. Der Fahrer war sehr freundlich und vor allem sehr gesprächig. So bekam ich unter anderem ein kurzes Update zur aktuellen Situation bei den Würzburger Kickers die jetzt in der 2. Fußballbundesliga spielen und in der Vorrunde beim CLUB in Nürnberg unentschieden gespielt haben. Ich erinnerte mich schmerzlich. Ich war im Stadion.

Den Tag nutzte ich zum Schreiben und merkte erst am späten Nachmittag, dass ich noch keinen Anruf vom Autohaus bekommen habe.

„Ich warte auf einen Anruf, dass mein Auto fertig ist und ich abgeholt werde.“
„Da ist wohl etwas schief gelaufen. Ich kümmere mich darum und melde mich sofort wieder.“

Zwölf Minuten später stand das Shuttle-Fahrzeug vor meiner Haustüre.

„Das werden wir wohl nicht mehr bis 17 Uhr schaffen, jetzt im Feierabendverkehr“ sagte ich skeptisch mit Blick auf die Uhr.
„Ich geb mein Bestes.“
Und das tat er dann auch.

Geschwindigkeitsbegrenzung innerhalb der Ortschaft?
GIBT ES NICHT.
Halten an Ampeln die gerade auf Rot umschalten?
NUR ETWAS FÜR FAHRANFÄNGER.
Stau umfahren durch Ausweichen auf schmale Gassen die kaum breiter sind als das Fahrzeug?
MUSS MAN KÖNNEN.
Zu spät kommen?
NIEMALS.
Augen wieder auf: 16.57 Uhr.

Sitzbank

Gestern war ich in der Stadt. Ich brauchte neue Socken, Unterhosen und T-Shirts. Da alle benötigten Bekleidungs-Basics bei mir die Farbe Schwarz haben und ich auch bei den Labels nichts neues ausprobiere, war ich relativ schnell fertig. Ob das etwas über mich aussagt? Ich weiß es nicht. Es soll Frauen geben die daraus Rückschlüsse auf den Charakter ziehen.

Im Hugendubel stolperte ich über ein Buch mit dem Titel Eierlikörtage und dem Subtitel Das geheime Tagebuch des Hendrik Groen 83 1/4 Jahre. Ich musste es kaufen. Schon wegen dem Buchumschlagslob von John Boyne:

Man kann beim Lesen oft lachen, aber dieses Buch ist noch so viel mehr als eine Komödie. Es ist eine Geschichte darüber, warum Freundschaft, Selbstlosigkeit und Würde das Herzstück der menschlichen Erfahrung sind. Wenn ich mal alt bin, möchte ich sein wie Hendrik Groen.