26. Was kann schon passieren

Gitarrenschrank

19. März

Letzten Sonntag hatte mir Martinello etwas von den Musik-Kreativ-Tagen erzählt, die Ende Mai an der Bayrischen Musikakademie in Hammelburg stattfinden. Es treffen sich dort stilistisch offene Musiker aus den Bereichen Rock, Pop, Jazz, Klassik und Volksmusik zum gemeinsamen musizieren. Martinello war in den letzten Jahre bereits mit dabei und schwärmte mir von den kreativen Jam-Sessions vor, die bis tief in die Nacht gingen.

Musikakademie Hammelburg
Bayrische Musikakademie in Hammelburg

Und weil er sich für dieses Jahr wieder angemeldet hat, fand er den Gedanken prima, wenn auch ich mich anmelden würde. Wir könnten dort meine Amely Day Songs mit den teilnehmenden Musikern ganz neu arrangieren und bekämen eventuell neue Impulse wohin unsere musikalische Reise gehen könnte. Ich fand die Idee verlockend.

Im schlimmsten Fall macht mir das auch noch Spaß

Am Montag schaute ich mir die Webseite der Musikakademie an und lud mir im Bereich MAINPOP den Flyer für die Musik-Kreativ-Tage herunter. Der Flyer war ansprechend gestaltet. Auf der Titelseite war, unter dem Motto „VIELFALT statt MAINSTREAM“, ein Bild mit Martinello am Bass, wie er mit einer Konzertgitarre spielenden Frau musiziert. Das sah nach viel Spaß aus und ich wollte mich unverzüglich anmelden.

Musikakademie Hammelburg
Bayrische Musikakademie in Hammelburg

Auf der Seite mit den Seminarleitern verlor ich dann abrupt mein Selbstvertrauen. Was soll ich als Autodidakt im Kreise studierter Musiker? Nur weil ich ein paar Songs geschrieben habe, mit teilweise zufällig gefundenen Akkorde die ich im Internet nachschlagen musste, damit ich sie notieren konnte….das ist nichts für mich. Und schon machte sich meine nervöse Blase bemerkbar und ich musste pissen.

Musikakademie Hammelburg
Bayrische Musikakademie in Hammelburg

Der Dienstag begann mit Selbstvorwürfen, die mir den kompletten Tag vermiesten und ich keinen Anfang fand. Mir wurde bewusst, dass die Symptome meines Burnouts immer stärker Besitz von mir ergreifen und Schlafstörung, Fressattacken, erhöhter Harndrang, Zittern, Angst und Weinen mein Selbstvertrauen und mein Interesse an neuen Aufgaben komplett lahmlegen.

Wenn ich verhindern will, dass diese depressive Stimmung immer stärker wird, muss ich mich zu den Musik-Kreativ-Tagen anmelden. Was kann schon passieren? Im schlimmsten Fall macht mir das auch noch Spaß!

Am Donnerstag habe ich die Startseite der Bayrischen Musikakademie aufgerufen, das Anmeldeformular ohne größeres Nachdenken ausgefüllt und auf „senden“ gedrückt. Danach wich Vorfreude der unbegründeten Panik in meinem Kopf. Vorfreude darauf gemeinsam mit kreativen Musikern Songs von Amely Day zu spielen.

So verging die Woche und heute freue mich darauf die restlichen Songs, die ich fertig geschrieben habe, mit Martin und Martinello spielen und aufnehmen zu können.

Musikakademie Hammelburg
Bayrische Musikakademie in Hammelburg

Ja klar. Kein Problem.

Ich betrete das Kreativ Häusle zu unserer dritten gemeinsamen Bandprobe und merke, dass sich alles schon viel vertrauter anfühlt als bei unserem ersten Treffen.

„Heut ist ein schöner Tag“ singt Martinello zur Begrüßung.
„Das stimmt“ sage ich grinsend. „Ich freu mich, gemeinsam mit euch wieder ein paar von meinen Songs aufzunehmen zu dürfen.“
„Hast du wieder neue Amely Day-Songs für dabei?“
„Na klar!“

Ich hole mir den Stuhl mit dem bequemen Sitzkissen aus der Küche, platziere ihn mit dem Rücken zur Türe, stelle das Notenpult davor und hole meine Gitarre aus dem Koffer.

Amely Day

Während Martin und Martinello ihre Instrumente mit Strom versorgen spiele ich schon einmal den ersten Song. Zuviel wir ist relativ einfach strukturiert, hat aber in der Bridge einen triolischen Basslauf den ich auf meiner akustischen Gitarre mitspiele. Ansonsten nichts besonderes und ab der zweiten Strophe sind die Beiden mit dabei.

Beim nächsten Refrain singt Martinello das Zuviel wir mit, das sich zweimal im Wechsel mit Zuviel hier wiederholt. Ich muss schmunzeln weil ihm das so nicht aufgefallen ist. Ich spreche es an und Martinello sagt „…im letzten Refrain hab ich sogar Zuviel Bier gesungen, weil ich das so verstanden habe.“

Wir biegen uns vor lachen. Danach aktiviere ich die Video-Funktion an meinem Handy und wir nehmen den Song auf.

Amely Day

„Das nächste Stück heißt Wo du bist. Ich habe es vor ein paar Jahren auf meiner Bandscheiben-Reha im Schwarzwald geschrieben. Es gibt dazu auch eine Hookline die im Intro gespielt wird und dann immer nach dem Refrain einsetzt und einem Solo voraus geht“

Ich spiele Martin die kleine Melodie vor und steige dann in den Song ein. Nach dem ersten Refrain sind die Beiden wieder dabei und ich schließe die Augen und wiege meinen Körper im Takt während Martin ein wunderschönes Solo spielt.

Als der Song zu Ende ist frage ich die Beiden wie wir in den Song einsteigen wollen. Ich möchte weg davon, dass ich die Songs beginne und die Beiden anschließend mit einsteigen. Martinello schlägt vor dass er den Basslauf zur ersten Gesangszeile spielt und sobald ich einsteige beginnt Martin mit der Hookline. So nehmen wir den Song auf.

Amely Day

Wie von Paukenschlägen getrieben

Wir steh´n hinter dir wechselt in der Strophe immer nur von D auf Hm. Es wäre super wenn du so ein Hammer On von A auf Hm spielen könntest.“
Ich schaue Martinello fragend an, weil ich mir nicht sicher bin ob ich das wirklich gut erklärt habe.
„Ja klar. Kein Problem.“

Bei Pearlgarden hätte ich jetzt in fragende Gesichter geblickt und bei Amely Day spielen wir das einfach….

„Der Refrain klingt noch nicht druckvoll genug. Es wäre super wenn ihr den mitsingen könntet.“

Wir probieren es aus und irgendwie fehlt mir immer noch etwas.

„Das ist schon besser, weil wir durch das gemeinsame Singen das Wir bei Wir steh´n hinter dir deutlich machen. Es müsste aber noch intensiver sein.“
„Ich könnte die Töne slappen. Lass uns mal nur den Refrain spielen.“

Amely Day

Wir spielen und singen den Refrain und Martinello hämmert zu jedem Wort den entsprechenden Ton wie von Paukenschlägen getrieben in sein Instrument und der Refrain hat plötzlich eine wahnsinnige Intensität als würden nicht nur ein paar fiktive Freunde hinter dem Protagonisten im Song stehen sondern Hunderte.

Ich atme heftig und intensiv in mich hinein und bekämpfe mit aller Kraft die Tränen die mir aus den Augen schießen wollen. Denn genau so hab ich den Refrain beim Schreiben gespürt und genau so nehmen wir wir Song jetzt auf.

Martin Seeberger

Bleib einfach entspannt

„Ich hätte da noch einen Song den ich letzte Woche geschrieben habe. Leider habe ich das Gefühl, es würde einen ähnlichen Song bereits geben. Ich spiele ihn euch einmal vor und wenn ihr mir sagen könnt, an welches Stück euch der Song erinnert, lassen wir ihn weg. Der Song heißt Bleib einfach entspannt.“

Ich spiele den Song und die beiden steigen wie gewohnt nach dem ersten Refrain mit ein. In der Bridge wird es etwas holprig aber das Solo von Martin ist wieder aller erste Sahne.
„Das Lied ist schön. Ich wüsste nicht das es den Song bereits gibt.“
„Kommt mir auch nicht bekannt vor. Darum: bleib einfach entspannt.“
Alle lachen.

„Können wir den Song schon aufnehmen, oder erst noch einmal durchspielen?“
„Gleich aufnehmen.“

Amely Day

Zu Hause schaue ich mir die Videos an die wir aufgenommen haben und sehe Martin und Martinello wie sie neben mir stehen, sich zu den Songs rhythmisch bewegen, mitsingen, sich bei verschiedenen Textpassagen und kleinen spontan gespielten Fill In´s zulächeln. Ich sehe den Spaß den wir bei den Songs haben und ich sehe mich lächeln. Ich sehe ein funkeln in meinen Augen und ich spüre die Tränen aus meinen Augen fließen während ich zu den Aufnahmen mitsinge….

(Anfang verpasst?)