12. März
„Können wir uns am Sonntag vor 14 Uhr treffen? Ich kann nur bis 17 Uhr“ fragt mich Martin am Telefon.
„Kein Problem. Ich habe bei Martinello nachgefragt. Er ist zu Hause. Wann würde es bei dir passen?“
„Ab 13.30 Uhr.“
„Geht klar.“
Eine halbe Stunde später klingelt wieder mein Telefon und Martinello ist dran.
„Bei mir hat sich etwas geändert. Können wir nach 14 Uhr proben?“
„Wann würde es bei dir gehen?“
„Ab 14.30 Uhr wäre ich zu Hause.“
„Kein Problem. Ich habe mit Martin telefoniert. Er kann aber nur bis 17 Uhr.“
„Das ist aber schade.“

Seit Freitag pendelt der Termin für unsere zweite Amely Day-Probe täglich um die 14 Uhr Achse. Obwohl wir eine E-Mail-Gruppe haben über die wir uns austauschen könnten, ziehen es die Beiden vor mich direkt anzumailen und ich koordiniere dann telefonisch und kommuniziere über die E-Mail-Gruppe. Nicht ganz einfach, aber der Termin heute steht erst einmal.
Toleranz ist die Botschaft
Ich sitze auf meinem grünen Pezziball am Schreibtisch und schaue mir meine Videos mit den Songideen an, die ich dieses Jahr aufgenommen habe. Als ich zur letzten Songidee komme, singe ich spontan über die zweite Hälfte meines, im Pseudo-Englisch gesungenen, Refrains Bleib einfach entspannt. Und dann muss ich laut lachen.

Ich frage mich, ob mir gerade Martin und Martinello im Unterbewusstsein herumgespukt sind, als mir diese Zeile über die Lippen ging. Ich hole meine Gitarre aus dem Koffer und während ich die ersten Akkorde spiele, entstehen dazu spontan zwei Textzeilen
Wenn dein bester Freund dir dein Hemd vollheult
Bleib einfach entspannt
Wenn dein Nachbar dir dein Auto verbeult
Bleib weiter entspannt
Mein Kreativ-Motor läuft und so entstehen in der nächsten Stunden viele, teils kuriose, Ideen über Situationen bei denen man entspannt bleiben sollte. Einige finde ich ganz gut. Die meisten jedoch werden nach dem ersten Ansingen wieder gelöscht.
Dann will mir nichts mehr einfallen. Weder für die Bridge noch für den Refrain. Ich schalte den Fernseher ein und wähle Kabel 1, weil dort am Nachmittag jede Menge Krimiserien im Programm sind.

Es läuft The Mentalist. Ich mag die exzentrische und leicht überheblich wirkende Art der Hauptfigur Patrick Jane. Er unterstützt in der Serie die Ermittlungen einer Spezialeinheit unter der Leitung von Teresa Lisbon und sucht in einem parallelen Handlungsstrang nach dem Mörder seiner Familie. Da ich diese Folge nicht kenne bin ich zu stark abgelenkt um in mein Gitarrenspiel gedanklich einzutauchen.
Im Anschluß kommt Castle. Die sehr witzigen Dialoge zwischen den beiden Hauptfiguren, dem Krimiautor Richard Castle und der wirklich sehr attraktiven Kate Beckett, die als weiblicher Detektiv von Castle unterstützt wird, erinnern mich sehr an Das Model und der Schnüffler. Daher auch bei dieser Serie keine Chance das Fernsehen als Medium für meine Kreativ-Arbeit nutzen zu können.

Erst bei Cold Case kann ich gedanklich abschalten. Mit dieser Serie kann ich nichts anfangen und das ist gut so. Während die Bilder vor meinen Augen flimmern spiele ich Bleib einfach entspannt und irgendwann war sie da, die Idee für die Story in meinem Song.
Entstanden aus der Frage, warum es in diesem Leben wichtig ist entspannt zu bleiben, klingt die Antwort fast schon banal: die Welt ist viel zu bunt, zu laut und zu schön um sich über etwas aufzuregen. Toleranz ist die Botschaft. Auch wenn nicht immer alles glatt geht und man auch einmal gegen eine Wand läuft – letztendlich wird alles gut. Ich schalte den Fernseher aus und beginne mit dem Schreiben.

Am Nachmittag habe ich den Text fertig. Die Zeilen für die Bridge und den Refrain finde ich super. Mit den Strophen bin ich nicht wirklich zufrieden. Ich überlege ob ich diese Version bereits Martin und Martinello vorspielen soll, entscheide mich aber dagegen. Wir haben auch nur ein kleines Zeitfenster und ich würde heute gerne die zwei neuen Songs Viermal blinzeln und Ein Stein weint nicht spielen wollen.

Sirtaki oder Reggae
Eine Stunde später betrete ich das Kreativ Häusle. Martin ist bereits da und ich gehe in die Küche und hole mir den Stuhl auf dem ich bereits bei unserer ersten Probe gespielt habe. Die ausgedruckten Songtexte mit den Akkorden lege ich auf den Notenständer und positioniere daneben mein iPhone für die Aufnahme.
„Ich habe zwei neue Songs dabei“ sage ich. „Der erste heißt Ein Stein weint nicht.“
„Oh, ein Song über Albert Einstein“
„Nein, nein. Es ist ein Stein, der nicht weint. So wie Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“
„Ah, ein interessantes Wortspiel.“
„Ist rein zufällig entstanden. Ich spiele es euch einmal vor.“

Ich habe gerade die erste Strophe gespielt da steigen die beiden auch schon mit ein. Der Übergang zum Refrain läuft super und ich genieße das frei improvisierte Solo von Martin. Die Passage aus dem Solo heraus in den Rhythmus der Strophe ist etwas holprig. Aber der Song läuft weiter und wir beenden den Song nach dem letzten Soli ohne auseinander zu fallen, da beide auf mein kleines Zeichen reagieren.
Das war der erste Durchlauf und ich kann es nicht glauben, dass wir bereits den zweiten Durchlauf aufnehmen können, weil beide die Songstruktur verstanden haben und wissen was sie dazu spielen wollen.

Die Aufnahme läuft und beim Refrain singen beide bereits mit. Es klingt fantastisch. So habe ich mir das vorgestellt. Wir nehmen den Song gleich noch einmal auf. Ich bin froh, dass die erste Textzeile Ich mag Suppe unkommentiert geblieben ist. Hier hatte ich mit humorvollen, leicht spöttischen Bemerkungen gerechnet.
Wir kommen zum nächsten Song Viermal blinzeln. Dafür klemme ich das Capo in den dritten Bund und versuche den Beiden die Besonderheiten bei diesem Stück zu erklären.
„Spiel es einfach mal, da kommen wir schon rein“ sagt Martin und mir wird bewusst, warum mir das musizieren mit den beiden viel mehr Spaß macht, als das anstrengende Arbeiten an einem Cover-Song bei Pearlgarden: die beiden wissen einfach was sie tun.

„Mit dem Refrain hab ich noch Probleme“ sagt Martinello.
Wir spielen den Refrain in Dauerschleife bis das Zusammenspiel sauber läuft. Dann nehmen wir den Song auf.
„Der Song hat so etwas von einem griechischen Sirtaki“ sagt Martin.
„Ja genau“ bestätigt Martinello und wir lachen alle. Schon erstaunlich, denke ich mir. Als ich den Song geschrieben habe, war ich mir sicher der Song hätte so ein Reggae-Feeling.
Nachdem wir den Song ein zweites Mal aufgenommen haben muss Martin auch schon wieder los. Während wir unser Equipment zusammenpacken singt Martinello immer wieder Bleib einfach entspannt. Wir lachen und ich überlege kurz, ob ich die Art wie wir unsere Termine vereinbaren einmal ansprechen soll. Ich lasse es dann aber und verlasse mit Martin und einem Bleib einfach entspannt auf Martinellos Lippen das Kreativ Häusle.