23. Viermal blinzeln

Sonnenuhr

01. März

Ich sitze beim Frühstück und denke an gestern, als ich die zusätzliche Strophe für den Song Wo du bist geschrieben habe. Ich konnte mich über das Ergebnis ganz normal freuen. Keine Tränen. Einfach nur mit dem Ergebnis zufrieden sein. Vielleicht sollte ich hier anknüpfen und nach dem Frühstück die Video-Aufnahmen meiner Songideen durchhören und nach einem Song suchen zu dem ein Gute-Laune-Lullu-Text passen könnte.

Gerald Plessgott

Die erste Aufnahme die ich mir anhöre, habe ich letztes Jahr am 18. August aufgenommen. Das gesungene Pseudo-Englisch auf dem Video ergibt keinen Sinn. Nur die letzte Zeile des Refrains klingt nach Here for shore. Wie witzig. Mittlerweile heißt die Zeile Hin zum Licht und der Song Der Sonne entgegen. Schon interessant, was sich in meinem Unterbewusstsein abspielt. Und genau betrachtet ist „Hin zum Licht“ gar nicht so weit entfern von „Hier zum Ufer“.

Gerald Plessgott

Ich bin überrascht als ich sehe, dass ich am 31. August gleich drei Videos archiviert habe. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, an einem einzigen Tag so viele Songideen entwickelt und aufgenommen zu haben.

Gespannt höre ich mir die Aufnahmen an. Die Erste hat etwas vorwurfsvolles in der Strophe und dieses Alles wird gut-Feeling im Refrain. Die zweite Aufnahme erkenne ich sofort. Es ist Deine Tattoos. Für diesen Song habe ich viel recherchieren müssen. Ich greife ich zu meinem blauen Notizbuch und lese schmunzelnd die Aufzeichnungen die ich mir hierzu gemacht habe.

Gerald Plessgott

Neugierig blättere ich weiter und sehe, dass auch für die dritte Songidee erste Textskizzen für den Refrain existieren. Ich spiele die dazugehörige Aufnahme ab und bereits nach den ersten Takten greife ich zur Gitarre um den Song zu begleiten. Danach spiele ich den Song nochmal etwas schneller. Der Refrain wird dadurch so lässig, dass ich das Bedürfnis empfinde, die Strophen dazu schreiben zu müssen.

Einmal blinzeln heißt ich werd sie wiedersehen
Zweimal blinzeln und ich kann die Welt verstehen
Dreimal blinzeln kann mir den Verstand verdrehen
Viermal blinzeln und der Tag wird wieder schön

Gerald Plessgott

Auf nach Griechenland

Während ich den Refrain singe, muss ich an den Familienurlaub in Griechenland denken, den wir vor 36 Jahren unternommen haben. Mein Vater kam eines schönen Sommertages nach der Arbeit nach Hause und hatte das Auto voll mit allerlei Kisten, Kartons und weiteren in Plastiksäcken verpackten Gegenstände. Nachdem meine Schwestern und ich ihm geholfen hatten alle Sachen hinter das Haus auf die Terrasse zu tragen, löste er das Rätsel auf.

„Wir machen dieses Jahr Camping-Urlaub in Griechenland. Euer Onkel und eure Tante kommen ebenfalls mit. Das wird super! Lasst uns die Zelte mal im Garten aufbauen.“

Urlaub in Griechenland

Zwei Monate später saß ich mit meinen beiden Schwestern auf der Rückbank unseres orangefarbenen Opel Kadett und vor uns lag das ganz große Abenteuer!

Die Fahrt dauerte drei Tage. Die erste Nacht verbrachten wir auf einem Campingplatz in Österreich, den zweiten Tag im damaligen Jugoslawien auf der als Autoput bezeichneten Autobahn zwischen Zagreb und Belgrad und erreichten am dritten Tag die griechische Hafenstadt Kavala. Von dort setzten wir mit der Fähre auf unsere Urlaubsinsel Thasos über.

Urlaub in Griechenland

Während dieser drei Tage wurde meine kleine Schwester von über 50 Stechmücken gequält, mein Onkel fast von einem Zug überfahren und kurz vor Kavala platzte noch die Windschutzscheibe unseres Autos, die wir in einem griechischen Hinterhof reparieren lassen mussten.

Nachdem wir es geschafft hatten unsere Zelte auf dem zwei Kilometer vom Hafen entfernten Campingplatz aufzubauen kochte meine Tante, die mir vor Jahren meine Gitarre geschenkt hatte, einen super leckeren griechischen Eintopf den wir aufgrund der vielen Zutaten Mandschi Pantschi nannten. Wir liebten diesen Mix aus Zucchini, Zwiebeln, Auberginen, Knoblauch, Tomaten und Hackfleisch der zu Hause beim Nachkochen leider nie wieder so gut schmeckte.

Urlaub in Griechenland

Am zweiten Urlaubstag kam eine Familie mit Campingbus und übernahm den freien Platz neben uns. Ich erinnere mich nur noch an ihre Tochter und auch nur daran, dass sie den kompletten Urlaub im Campingbus bei geöffneter Schiebetür und verdunkelten Fenstern im Bikini rumsitzend verbrachte. Sie war schlank und blass, hatte lange dunkle Haare und war etwa in meinem Alter.

Ich war fasziniert von ihr und himmelte sie heimlich und aus der Ferne an. Ich hatte mich nicht getraut rüber zu gehen und sie anzusprechen und eigentlich ist das auch keine wirkliche Story, weil passiert ist auch nichts und dennoch muss ich gerade wieder an sie denken….

Urlaub in Griechenland

Das ist die Story

Während ich so in Erinnerungen schwelge, fange ich an mir vorzustellen, alleine in Griechenland am Strand zu sitzen und zuzuschauen, wie die Surfer permanent von ihrem Board stürzen. Ich gehe zurück zu meinem Zelt und da kommt ein alter Bus und durch die Scheiben schauen mich zwei wunderschöne braune Augen an. Am Abend sitze ich vor meinem Zelt, spiele Gitarre und das Mädchen mit den braunen Augen setzt sich zu mir. Wir trinken Wein und verbringen die Nacht miteinander. Am nächsten morgen ist sie und der alte Bus verschwunden – ich glaube das ist die Story für meinen Song.

Urlaub in Griechenland

Ich mache mich sofort ans schreiben. Und weil die Worte wie der Sand in einer Sanduhr aufs Blatt rieseln, ist der Song bereits spät am Abend komplett fertig. Ich sitze auf meinem Sofa und während ich den Song immer wieder spiele, stelle ich mir bereits vor wie er klingen wird, wenn ich ihn mit Martin und Martinello aufnehmen werde – verdammt gut!

….und da laufen sie wieder….ein paar Tränen….direkt über meine Wangen….was soll’s….

(Anfang verpasst?)