18. Februar
Hallo Gerald. Ich wollte mich für deine aus dem Herzen und der Seele sprechenden, klingenden und singenden Amely Day Songs bedanken. Sie begleiten mich, verursachen Gänsehaut, verführen zum Mitsingen und sich selbst erkennen. Es ist wunderschön mit welch positiver Stimmung, Feingefühl, Licht, Hoffnung, Humor, Glaube und Liebe du das Leben beschreibst. Es ist auch eine Wonne Dir zuzuhören und dich strahlen zu sehen.
DANKE FÜR DEINE MUSIK!
(B.)
Ich sitze vor meinem Laptop und lese diese Zeilen, die ich auf Facebook über den Messenger geschickt bekommen habe. So etwas schönes hat noch nie jemand über meine Musik gesagt – geschweige denn geschrieben. Mein ganzer Körper zittert vor Freude. Es ist unglaublich, wie stark mich diese Zeilen berühren. Ich schließe die Augen und in meinem Kopf läuft mein Song Der Sonne entgegen.

Kommen sie aus Lohr?
Mein iPhone fiepst. Auf dem Display lese ich, dass meine Nichte heute um 13 Uhr mit ihrer Handball-Mannschaft in Rimpar ein Turnier spielt. ich bin froh, dass ich mir diesen Termin notiert habe. Ich hätte ihn vergessen. Dabei hatte ich mich mächtig darüber gefreut, als sie mir vor ein paar Wochen eine Einladung geschickt hat.
Ich mache mich fertig und stehe kurz vor 13 Uhr vor dem Seiteneingang der Sporthalle in der auch die Rimparer Wölfe spielen. Durch die Glastüre sehe und höre ich bereits engagierte Eltern die ihren Nachwuchs auf dem Spielfeld akustisch unterstützen. Bin ich zu spät? Schnellen Schrittes laufe ich hoch zur Tribüne. Auf dem Spielfeld stehen zwei Mädchen-Mannschaften und ich suche die Gesichter aller Spielerinnen nach meiner Nichte ab.

Ich kann sie nicht finden und erkundige mich an einem sporadisch eingerichteten Verkaufsstand Wer gerade gegen Wen spielt und bin froh, dass meine kurzzeitige Befürchtung sich nicht bestätigt.
Kurz darauf ist das Spiel zu Ende und während ich es mir mit einem Pott Kaffee an einer Biertisch-Garnitur gemütlich mache, kommen zwei neue Mädchen-Mannschaften aufs Feld. Hier muss sie dabei sein.

„Wer spielt jetzt gegeneinander?“ frage ich zwei neben mir sitzende Mütter.
„Die Mädchen im grünen Trikot sind aus Rimpar. Die im roten Trikot, das weiß ich leider nicht so genau.“
„Meine Nichte spielt beim TSV Lohr und ich kann sie leider nirgendwo sehen.“
„Fragen sie doch mal den Mann da drüben. Der müsste aus Lohr sein.“
„Kommen sie aus Lohr?“
„Ja, meine Tochter hat gerade gespielt.“
„Ich suche meine Nichte und kann sie nicht finden. Ist das hier das letzte Spiel?“
„Das weiß ich leider auch nicht. Ich habe nur heute ausnahmsweise Fahrdienst.“
Ich gehe zurück zu meinem Platz, trinke in Ruhe meinen Kaffee und hoffe, dass anschließend noch ein Spiel stattfindet.

„Jule, mehr über die Außen spielen“ höre ich eine Stimme. Meine Augen wandern noch einmal über alle Gesichter der Mädchen in den roten Trikots. Das kann doch nicht sein, dass meine Nichte auf dem Platz steht und ich sie nicht erkenne.
„Jule, früher abspielen“ höre ich jetzt die Trainerin rufen. Ich sehe ein Mädchen das mit dem Ball in der Hand hochsteigt und den Ball ins Tor wirft.
„Super Jule!“
„Na, haben sie ihre Nichte doch noch gefunden.“ Ich nicke und grinse die Mütter neben mir mit dem vielsagenden Blick eines stolzen Onkels an.

Ich konnte gar nicht mehr aufhören
Während ich das Spiel verfolge, kippt plötzlich meine Stimmung und ich beginne mir Gedanken darüber zu machen, wie und vor allem was ich von den Menschen die mir wichtig sind in den letzten Jahre wahrgenommen habe.
Ich erinnere mich an eine Familienfeier, vor etwa einem Jahr, als ich das erste Mal eine Art Panikattacke bei mir verspürt habe. Wir saßen am Tisch. Alle Familienmitglieder unterhielten sich angeregt und ich konnte den Gesprächen nicht mehr folgen. Mir war als würde ich die gesprochenen Worte durch eine verschlossene Türe hören.

Ich wollte mich an den Gesprächen beteiligen, doch durch meinen Kopf jagten nur Gedanken, die mit meinem Job zu tun hatten: Was ich noch zu erledigen hatte. Was ich nicht vergessen durfte. Wen ich über was noch informieren musste. Ich konnte gar nicht mehr aufhören an meine Arbeit und die vielen Aufgaben zu denken. Als ich irgendwann später in meinem Auto saß fühlte ich mich deprimiert und hoffte, dass niemand etwas gemerkt hatte.

Situationen wie diese haben sich seitdem immer häufiger wiederholt:
Beim Essen mit Freunden kippte plötzlich meine gute Laune. Von einem Moment auf den anderen saß ich wie paralysiert da und fühlte mich unwohl. Wollte nur noch weg und wusste nicht warum.
Beim entspannten Saunieren mit Bekannten konnte ich nicht aufhören über die Arbeit zu sprechen und saß dann stundenlang zu Hause auf meinem Sofa weil ich mich nicht mehr daran erinnern konnte worüber wir sonst noch sprachen und was sie erzählt haben.

Obwohl mir diese Menschen sehr viel bedeuten, konnte ich mir nichts mehr von dem was ihnen wichtig zu sein scheint merken. Und jetzt spielt da unten auf dem Feld meine Nichte und ich habe sie nicht einmal an ihrem hübschen Gesicht erkannt. Ich fürchte ich verliere meine Wahrnehmung.
Zu Hause sitze ich wieder vor meinem Laptop und lese im Facebook Messenger:
Es ist wunderschön mit welch positiver Stimmung, Feingefühl, Licht, Hoffnung, Humor, Glaube und Liebe du das Leben beschreibst.
Ich denke es ist wichtig, dass ich mich für diese stationäre Reha-Maßnahme anmelde….