13. Ehrlich jetzt?

Eisblumen

Es ist doch egal woran du wirklich glaubst
eines ist nur wichtig dass du wem vertraust
warum ist die Frage wichtig welcher Gott
wenn du jemand hast der zu dir steht
jemand der dir wichtig ist
© Amely Day – Jemand der dir wichtig ist

24. Januar

Bis gestern dachte ich noch, ich hätte meine Morgen-Routine wieder im Normal-Modus. Aber nachdem ich heute mit dem Refrain einer Songidee im Ohr aufgewacht bin, die ich Mitte Oktober aufgenommen hatte, musste ich sofort zur Gitarre greifen um weiter daran zu arbeiten.

Jetzt sitze ich in T-Shirt und Unterhose auf meinem Sofa und singe die Strophen mit einer Art Pseudo-Phantasie-Englisch über die Akkorde und hoffe darauf, dass mir der Song verrät welche Story sich hinter der Melodie verbirgt und mein Unterbewusstsein Worte findet um daraus Sätze für die Strophen zu formen.

Ende November entstanden die Textzeilen für den Chorus. Er sprudelte beim Spielen einfach so aus mir heraus. Und während ich ihn aufschrieb spürte ich, dass es in diesem Song um einen Glaubenskonflikt gehen musste: ein Konflikt zwischen einem Christen und einem befreundeten Muslimen.

Damit war aber auch klar, es würde kein persönlicher Song werden und ich müsste, wie bei meinem Song Deine Tattoos, zunächst im Internet recherchieren. Da ich vom Christentum nicht wirklich viel und vom Islam rein gar nichts wusste, wollte ich zunächst die Gemeinsamkeiten und dann die Unterschiede zwischen Jesus von Nazareth, dem Lehrer aus einer jüdischen Rabbi-Schule und dem Kaufmann Mohammed, der von einem ihm erschienenen Engel als Prophet bezeichnet wurde, nachlesen.

Ich recherchierte, machte mir Notizen und versuchte in Reimform eine Geschichte zu erzählen. Als ich damit nicht weiter kam, ersetzte ich das Thema Glaubenskonflikt durch das Thema Vertrauen im zwischenmenschlichen Kontext.

So entstanden immer wieder neue erste Strophen mit unterschiedlichen Ansätzen. Alles Bullshit. Alles Mist. Alles irgendwie Schlager. Und am Abend hatte ich alle Strophen wieder gelöscht. Mit diesen Texten klang der Song für mich unentwegt wie ein Kirchenlied. Und ein Kirchenlied wollte ich, weiss Gott, nicht schreiben.

Tod und Gewalt

Der Refrain ist immer noch wunderschön. Aber was ist die dazugehörige Geschichte? Während ich am rumzappeln bin und nervös mit den Beinen wippe, jagen mir ein paar Textzeilen durch den Kopf die ich sofort aufschreibe

Krankenlager, blutverschmiert
liegst du da, und du frierst.
Gestern da hast du bezahlt
weil du´s anders nicht kapierst

OH NEIN. Ich will doch solche Texte mit Blut und Tod und Gewalt nicht mehr schreiben. Warum schießen mir wieder solche Zeilen durch den Kopf? Was bedeuten sie? Was wollen sie mir erzählen?

sero2nine bei „Rock in der Scheune“

Vor ein paar Jahren sprach mich der Bassist unserer Cover-Band Dragonfly nach einer Bandprobe an und fragte, ob ich nicht Lust hätte mit ihm in eine Band einzusteigen die nur eigene Songs spielen. Der Gitarrist und die Sängerin würden Songs schreiben die ein bisschen mehr Dampf von einer zweiten Gitarre bräuchten.

Das hatte mich interessiert und kurz darauf war ich Mitglied der Band XpinX. Die Band hatte bereits einige Songs fertig komponiert und die Möglichkeit in Würzburg auf dem Umsonst & Draußen Festival im Newcomer Zelt zu spielen.

Drei Tage vor dem Festival verließ uns die Sängerin ohne erkennbaren Grund. Ich fand das sehr bedauerlich, weil mir die Songs gut gefielen und mich die Stimme der Sängerin an Courtney Love erinnerte. Mit einem neuen Sänger verloren die alten Stücke an Intensität und Ausdruckskraft.

Dafür entstanden fantastische Songs, die wir unter dem neuen Bandname sero2nine gemeinsam erarbeiteten und zu denen ich erste Texte beisteuern konnte

And the world was blown away
right out of my bleeding head
and the bullet in my soul
kills me on a given day

Der Chorus zum Song The World führte zu Begeisterung und Entsetzen bei den Bandmitgliedern. Wurde aber aufgrund mangelnder Alternativen genommen. Auch die nächsten Songs kamen textlich nicht ohne Tod und Gewalt aus. Warum das so war? Ich weiß es nicht. Damals dachte ich, es liegt an Filmen wie Pulp Fiction, Kill Bill, Sin City oder Lost Highway. Aber heute?

Ich spiele die Strophe, nehme die ersten vier Akkorde aus dem Chorus als Bridge, wiederhole die Bridge, singe noch einmal die Strophe und gehe in den Chorus. Und dann weiss ich welche Geschichte mir diese Zeilen erzählen:

Es geht um einen Jungen der seinen besten Freund an eine Gruppe Nazis verloren hatte. Nachdem dieser eine blutige Auseinandersetzung mit einer Gruppe Punks hatte, steht er an seinem Krankenbett um ihm zu zeigen dass er für ihn da ist….

Ehrlich jetzt?
Das ist die Story?
Das ist Amely Day?
NEIN! Nicht wirklich….

Ich klappe meinen Laptop zu und starre frustriert vor mich hin. Und meine Morgen-Routine?….heute nicht mehr….morgen dann wieder….

(Anfang verpasst?)